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  Jesuiten-lehrer: Auch Im Norden Missbrauchsfalle?

NDR
February 1, 2010

http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/missbrauch148.html

Die Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg gehorte noch bis vor einigen Jahren zum Jesuiten-Orden

Der Missbrauchsskandal an einer Berliner Jesuiten-Schule weitet sich auch in den Norden aus: Neben mehr als 20 Fallen in den 70er- und 80er-Jahren am Berliner Canisius-Gymnasium durch zwei Lehrer habe es auch Falle in Hamburg, Gottingen, Hildesheim, St. Blasien (Baden-Wurttemberg), Chile und Spanien gegeben, sagte der deutsche Ordenschef, Provinzial Stefan Dartmann, am Montag auf einer Pressekonferenz im Canisius-Kolleg. Zugleich entschuldigte er sich bei Opfern, Lehrern und Eltern fur das jahrelange Schweigen.

Bei den beiden moglichen Opfern aus Hamburg handelt es sich um ehemalige Schuler der Sankt-Ansgar-Schule, wie Bistums-Sprecher Manfred Nielen am Montag bestatigte. "Das, was viele befurchtet haben, hat sich bewahrheitet." Die ehemaligen Schuler hatten sich aufgrund der Medienberichte bei der Schulleitung gemeldet, sagte Nielen. "Was fur Hamburg angemessen ist, werden wir nun zusammen mit der Schulleitung beraten", sagte er.

Taten bereits verjahrt?

An dem Berliner Canisius-Gymnasium wurden von 1975 bis 1983 mindestens 22 Kinder und Jugendliche missbraucht. Tater waren nach Angaben des Ordens zwei Patres, die als Lehrer arbeiteten. Die Berliner Staatsanwaltschaft pruft die Missbrauchsfalle. "Es spricht aber vieles dafur, dass die Taten verjahrt sind", sagte ein Behordensprecher. Das betreffe auch etwaige Vorwurfe an den Jesuiten-Orden wie Strafvereitelung oder unterlassene Hilfeleistung.

Ordenschef Dartmann schloss nicht aus, dass noch weitere Missbrauchsfalle bekannt werden: "Ich bin sicher, wenn Sie nur weit genug zuruckgehen in den Akten, wurden Sie etwas finden." Heute wurde er auch Polizei und Staatsanwaltschaft informieren, sagte Dartmann. Damals zeigten weder die Jesuiten noch der Vatikan die Tater an. Sie wurden nach den Vorwurfen meist nur an andere Orte versetzt.

"Exzessive Bestrafungsrituale"

Wolfgang S. arbeitete als Deutsch-, Religions- und Sportlehrer von 1975 bis 1984 an Jesuiten-Schulen in Berlin, Hamburg und St. Blasien im Schwarzwald. Danach ging er fur den Orden nach Spanien und Chile. 1991 gestand er der Kirchenleitung seine Taten gegen "Zusicherung der Diskretion", weil er aus dem Orden ausscheiden wollte. Laut diesem Gestandnis kam es auch zu Missbrauchsfallen in Hamburg und St. Blasien. Dartmann sagte zudem: "Es gibt klare Hinweise in den Akten, dass er bis 1990 auch in Chile und Spanien ubergriffig geworden ist." Es habe sich um "exzessive korperliche Bestrafungsrituale" gehandelt.

Der 65-Jahrige lebt heute in Chile. Der fruhere Lehrer wandte sich laut Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" nun in einem Brief an seine Opfer. Es sei "eine traurige Tatsache, dass ich jahrelang Kinder und Jugendliche unter pseudopadagogischen Vorwanden missbraucht und misshandelt habe", hei?t es darin.

Jugendarbeit in Gottingen, Seelsorge in Hildesheim

Der andere Pater, Peter R., arbeitete von 1972 bis 1981 als Religionslehrer und Jugendseelsorger an dem Berliner Gymnasium, spater in Gottingen in der Jugendarbeit, als Seelsorger in Hildesheim und beim dortigen Bischof. "Wann der Missbrauch anfing, wissen wir nicht", sagte Dartmann. 1981 suchten Berliner Schuler in einem offenen Brief an die Schule und die Kirche indirekt Hilfe und kritisierten besonders eine verfehlte Sexualpadagogik.

Ende der 80er Jahre gab es laut Dartmann Hinweise auf zuruckliegende Ubergriffe auf Madchen in Gottingen. Als er in Hildesheim arbeitete, beschwerte sich eine Mutter uber die Belastigung ihrer Tochter. Es sei bei den Ubergriffen von Peter R. um "unangenehme Beruhrungen und Selbstbefriedigung" gegangen, es habe keine Hinweise auf "Penetration oder Vergewaltigung" gegeben.

Bis Mitte Februar soll ein Untersuchungsbericht erstellt werden. Der Jesuitenorden beauftragte Ursula Raue, lange Jahre Vorsitzende der Kinderschutzorganisation "Innocence in Danger" (Unschuld in Gefahr), mit Ermittlungen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte ihre Prufungen selbst eingeleitet.

 
 

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